von Robert Klatt •
Die beiden größten chinesischen Onlinehandelsunternehmen wollen Amazon den wichtigen europäischen Markt strittig machen.
In einem Interview mit dem Handelsblatt erklärte JD.com Gründer und Verstandschef Richard Liu, dass sein Unternehmen in Zukunft auch in Europa aktiv werden wird. Von zentraler Bedeutung für die Expansion wird dabei aufgrund des Umsatzvolumens Deutschland sein. JD.com ist eines der größten E-Commerce-Unternehmen in China, das vor allem Elektronik verkauft. Wie Liu sagte möchte „er nicht mehr nur Produkte von Deutschland nach China verkaufen, sondern auch in Europa Produkte anbieten“. Das Sortiment soll sich dabei nicht auf chinesische Produkte beschränken, sondern einem globalen Handelsansatz folgen. Sollte JD.com in Europa eine ähnliche Position wie in China erreichen können, würde Amazon somit seit langer Zeit wieder einen ernstzunehmenden Konkurrenten in bekommen.
JD.com wird bis zum Ende des laufenden Jahres in Deutschland ein Büro eröffnen, von dem die Expansion koordiniert werden soll. Niederlassungen in Paris und London gibt es bereits. Neben dem Versandhandel bietet JD.com auch Dienstleistungen die technisch und KI-orientiert sind an. Die Logistik des Unternehmens gilt unter Experten als noch ausgereifter als beim bisherigen Marktführer Amazon. Die genaue Strategie des Unternehmens ist noch unbekannt, da aktuell noch Verhandlungen mit Unternehmen und Regierungen über Details ausstehen. Wahrscheinlich ist jedoch, dass JD.com sich anfangs auf Warengruppen konzentriert, bei denen Amazon noch einholbar erscheint. In Deutschland wäre dies beispielsweise der Modesektor, den JD.com in Zusammenarbeit mit Zalando übernehmen könnten. Liu erwähnte in seinem Interview, dass auch die Übernahmen etablierter Unternehmen wie Otto oder Zalando oder Logistikunternehmen wie die Deutsche Post nicht auszuschließen sind. Auch hierzu gibt es bisher jedoch noch keine Details.
Alibaba die bereits in Europa wesentlich aktiver sind als JD.com werden in Zukunft ihre Präsenz ebenfalls deutlich ausbauen. Bisher hat das chinesische Unternehmen sich jedoch auch in Europa fast ausschließlich auf chinesischen Kunden wie zum Beispiel Touristen beschränkt, denen eine Bezahlmöglichkeit während ihrer Europareise angeboten wurde.
Im Vergleich zu Amazon sind sowohl Alibaba als auch JD.com dafür bekannt ein deutlich umfassenderes Ökosystem anzubieten, das neben dem Versandhandel auch eine Bezahlmöglichkeit bietet, die Alibaba über das soziale Netzwerk Wechat abwickelt. Auch im Bereich der Logistik sind beide Unternehmen Amazon weit voraus. In ihren Heimatmärkten wickeln beide Versandriesen den größten Teil der Logistik selbst ab, während in Deutschland Amazon vor allem auf DHL setzt. Anfangs werden die Riesen auf China auch in Deutschland Kooperationen mit großen Logistikpartnern schließen. Ob auch in Deutschland eine eigene Logistik aufgebaut wird ist noch fraglich.
Alibaba wird im belgischen Lüttich schon bald ein eigenes Logistikdrehkreuz öffnen. Außerdem soll mit einem Partner in der Nähe von Prag ein Lager gebaut werden, von dem auch Deutschland beliefert werden soll. Alibaba-Gründer Jack Ma sagte, dass sein Unternehmen schon bald Waren innerhalb von maximal 72 Stunden an jeden Ort der Welt liefern kann. Da Mitteleuropa bereits logistisch gut erschlossen ist, wird Alibaba ihr Ziel dort vermutlich zügig erreichen.
Die große Expansion der beiden Unternehmen könnte fatale Folgen für lokale Unternehmen haben. Alibaba und JD.com haben seit einigen Jahren Wachstumsraten von rund 50 Prozent. Sollte das Wachstum so anhalten würden bis 2025 beide Unternehmen zusammen pro Jahr 550 Milliarden Dollar Umsatz erzielen, was mehr ist als die aktuelle Top 10 zusammen.