von Robert Klatt •
Eine teilweise mit deutschen Steuergeldern finanzierte Software ist in der Türkei aufgetaucht. Sie wird genutzt, um Regierungskritiker zu überwachen.
Eine kürzlich veröffentlichte Analyse der Bürgerrechtsorganisation Access Now kam zu dem Ergebnis, dass in der Türkei die Opposition der Erdogan-Regierung durch die Software FinSpy überwacht wurde. Die Überwachungssoftware des deutschen Unternehmens soll auch weiterhin aktiv gegen die Opposition eingesetzt werden. Wie Access Now berichtet soll im vergangenen Frühjahr die Software wahllos über Twitter verbreitet worden sein. Links von Twitter führten zu einer externen Seite, auf der eine getarnte Version von FinSpy zum Download angeboten wurde. Die Twitter-Nachrichten richteten sich zum größten Teil an Unterstützer und Mitglieder der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP). Unklar ist noch wie viele Personen tatsächlich die Software installiert haben und wie viele Personen somit von der technisch ausgefeilten Spionagesoftware überwacht worden sind.
Wer genau in der Türkei die Überwachungssoftware in den Umlauf gebracht hat ist unklar. Das entwickelnde Unternehmen bestätigt jedoch gegen Access Now, dass die Software ausschließlich an Regierungsstellen wie zum Beispiel Geheimdienste und Strafverfolger vertrieben wird. Sobald ein Computer oder ein Smartphone infiziert wurde, bekommen die Hintermänner umfangreiche Möglichkeiten der Überwachung. Neben Screenshots können auch Telefon- und Videotelefonanrufe aufgezeichnet werden und gespeicherte Daten heruntergeladen werden. Über GPS kann der Standort des Überwachten mitverfolgt werden. Außerdem erlaubt es die Software das Mikrofon jederzeit zu aktivieren. So können über versteck eingeleitete Telefonanrufe Gespräche aus der Ferne belauscht werden. Auch die Nachrichten von WhatsApp. Telegram, Facebook, Skype und anderen Messengern kann mitgeschnitten werden, da sie auf dem infizierten Gerät im Klartext vorliegen.
Die Analyse von Access Now zeigt ebenfalls, dass FinSpy in der Ukraine, in Indonesien und in Venezuela eingesetzt wurde. Auch der Antivirenhersteller ESET hat vor wenigen Monaten veröffentlicht, dass sie FinSpy in den USA, Japan, Frankreich, Deutschland, Türkei und Ägypten gefunden haben. Teilweise wurde die Überwachungssoftware mit Unterstützung der Internetprovider installiert, die ahnungslose Kunden bei legalen Downloads auf manipulierte Dateien umleiteten. Dabei wurden allerdings ausschließlich Computer infiziert. In der nun von Access Now veröffentlichen Analyse geht es um die Smartphone-Version der Software.
Wie die Tagesschau berichtete, könnte die Analyse in Deutschland für ein politisches Nachspiel sorgen. Konstantin von Notz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag fordert, dass aufgeklärt werden muss ob die Bundesregierung über den Verkauf der Software in die Türkei informiert war. Laut ihm ist es ein Skandal, dass eine Software, die unteranderem auch durch deutsche Steuergelder entwickelt wurde, nun in einem Unrechtsstaat wie der Türkei auftaucht. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine Liste von Staaten erstellt, in die der Export von Überwachungssoftware nicht mehr erlaubt ist. Die Türkei taucht darin allerdings nicht auf.